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AutorenbildKitty

Mortadella ist Veggie

Meine Kryptopyrrolrie (KPU) wird auch oft als Besonderheit im Stoffwechsel bezeichnet, was mich sicherlich besonders macht, aber es ist eben eine Stoffwechselstörung, die leider zu einem Verlust von lebenswichtigen Stoffen führt.

Dies soll aber keine Beschreibung sein, warum es mir manchmal eben nicht gut gehen kann. Nur als Beispiel, chronische Muskelschmerzen sieht man nicht und versteht es als Außenstehender auch meist nicht. Aber eine Sache sollte vorab trotzdem erklärt sein.

Ich habe über viele Jahre die Ernährung nach und nach den Bedürfnissen meines Körpers angepasst und somit lebe ich seit fast zwei Jahren nun vegetarisch und auch immer mehr vegan.

So trug es sich zu, dass ich eines Tages unbeschreibliche Schmerzen bekam, die ich nicht zuordnen konnte und mein Verdacht viel gleich auf #KPU. Kurzum, ich musste ins Krankenhaus und in der Notaufnahme gab man mir wirklich geilen Stoff. Danach ging es eigentlich ganz prima, aber die wollten mir doch dann tatsächlich eine Übernachtung schenken, inklusive diverser Untersuchungen. Jackpot!

Ab da war das Kopfkino gestartet und oft neigt man dann dazu, in Selbstmitleid zu baden. Das war ja typisch, habe ja KPU, viele von euch werden es kennen.


Ich kam in ein Zimmer mit sechs Betten mit Verdacht auf Nierenprobleme, die von der Stoffwechselstörung herstammten sollten. Es war bereits fast mittags. Das warten seit sieben Uhr morgens war so langsam unschön und ich hatte Durst, Hunger und war mittlerweile nur noch müde. Die fünf älteren Damen auf meinem Zimmer stöhnten, jammerten vor Schmerzen und machte für meinen Tropf und mich schon mal Fluchtpläne, denn ohne das Zeug gehe ich hier nicht weg. Plötzlich kommt eine gut gelaunte Dame in den Raum und sagt, ich hätte mir jetzt ein Mittagessen verdient, es wären aber nur noch Kartoffelpuffer mit Apfelmus da. Als sie mir das Essen hinstellte, fragte sie fröhlich, was ich denn zum Frühstück und Mittagessen so haben möchte. Als ich ihr offenbarte, ich sei Vegetarierin, entgegnete sie mir freundlich: "Alles gar kein Problem, es ginge auch vegan." Wir wählten Marmelade, Kaffee ohne Milch, Hagebutten-Tee, Joghurt, Frischkäse mit Kräutern aus, Nudel mit Tomatensauce, Dinkelkekse und es durfte sogar etwas Salz ans Essen trotz der Nierenprobleme. Es war so modern und verrückt, digitale Geräte in denen man alles eingeben kann, was man sich zu essen so wünscht. Vielleicht bleibe ich doch! Der erste Bissen Kartoffelpuffer und ein Schluck Wasser waren ein Segen und gefühlt das beste, was ich seit langer Zeit hatte. Es kam eine weitere freundlich Krankenschwester rein und sagte, ich müsste doch noch mal in den Keller und Untersuchungen über mich ergehen lassen, das Tablett würde sie stehen lassen. Naja, nützt ja nix. Kartoffelpuffer gehen auch zum Nachmittagskaffee. Hatte ich ja bereits bestellt.


In weiteren Untersuchungen stellte man fest, der Blinddarm und Darm sind völlig entzündungsfrei, die Nieren würden Probleme machen und man könne sich das gar nicht erklären ohne Anzeichen vorher. Das Team rätselte über den Zustand meiner schwachen Nieren, drückten mir immer wieder dieses Ultradingens in die Bauchdecke und in die Seiten. Was hat sie nur? Warum ist das so? Könnte es vielleicht "nur" eine Nierenbeckenentzündung sein? Ab jetzt kann das chronisch werden....

Hallo!!! Ich bin im Raum, ich habe einen Namen!!!


Irgendwann, gefühlt nach einer Ewigkeit später kam ich zurück ins Sechserzimmer, mein Bett gesäubert, wieder in Folie eingeschlagen und...das Essen weg! Das bedeutet in der Regel Krieg! Meine Tasche war aber noch da. Ich machte mich nach geschlagenen 25 Minuten mit meinem Tropf erneut auf den Weg in Richtung Schwesternzimmer.

"Warum sind Sie denn noch hier?" "Was machen Sie hier?" "Hier dürfen Sie nicht rein!"

Kurzum, bei all den Untersuchungen hatte man mich auf dem Papier bereits verlegt. Raus aus der Chirurgie, rein ins Zweibettzimmer auf die Urologie. Man muss auch mal Glück haben. Mit Tropf und Tasche ging es jetzt auf eigene Faust endlich ins Bett und der pfiffige Pfleger sagte mir, wer mit den Nieren hat, müsse viel trinken. Es war bereits 15:00 Uhr durch und ja, ich war dürr wie eine Trockenpflaume. Durstlöschen war also keine schlechte Idee.


Die Zeit verging Null und auch Frau von Nachbarbett war keine sehr gesprächige Zimmergenossin. Die schlief gefühlt permanent. Dann kam Abendbrot. Die Enttäuschung war groß. Ich klingelte den Pfleger zurück.


"Das Tablett ist nicht für mich, dieses Tablett ist mit Scheibenkäse und Mortadella, ich bin Vegetarier und mag kein Scheibenkäse!" Er wollte sich schlau machen und ganz ehrlich, es waren jetzt fast 21 Stunden seit der letzten richtigen Mahlzeit vergangen und ich hatte echt schlechte Laune. Da konnten die flüssigen Drogen auch nichts mehr ausrichten. Er kam zurück, aber ich solle halt essen, was ich mag und was geht. Die Bestellung von der anderen Station sei nicht angekommen, dies sei Standardessen. Geil, trocken Brot und Wasser, es könnte nicht mehr an Bestrafung erinnern als just in diesem Moment.

Es blieb nur der Anruf beim Herzmann, der Döner besorgte und für schnippische Bemerkungen beim Pflegepersonal sorgte, dass ich das Essen wohl nicht mögen würde oder es mir nicht fein genug gewesen sei. Ganz dünnes Eis übrigens, wenn ich Hunger habe. Am nächsten Morgen sah es leider nicht anders aus. Statt Brötchen gab es Toast, Marmelade in Gelb statt Rot und der Kaffee war definitiv mit Plastikgeschmack. Selbst der Bio Joghurt schmeckte wie eine Tüte Süßstoff aus dem Reagenzglas. Aber die Pasta zum Mittag würde alles besser machen und dann geht's nach Hause. Selbst wenn nicht, egal, zu Hause wird geduscht und gut gespeist. Falsch gedacht, ich sollte noch bleiben und die Pasta war kalt und leider durfte ich nur zwei Löffel davon nehmen, denn ein neues Ultraschallbild sollte gemacht werden. Ich glaube sie mochten meine Innereien dort. Nur deshalb machten sie so viele unterschiedliche Bilder. Zurück auf dem Zimmer natürlich die kalten Nudeln weggeräumt, aber Mama brachte neue T-Shirts ganz frisch aus dem Laden und Butterkekse. Die besten Kekse meines Lebens. Eine Geschmacksexplosion. Meine Mutter sagte noch, jetzt wo du bleiben musst, kriegen die das mit dem Essen besser hin.

Ha, das Abendessen kam und was war drauf? Kein Scheibenkäse wohlgemerkt, aber dafür Mortadella und Salami. Echt jetzt? Es gab also wieder trocken Brot, diesmal ganz ausgeflippt mit Hagebutten-Tee. Dem neuen Pfleger tat ich zum Glück auch leid und er beschwerte sich in der Küche. Zum Mittag am nächsten Tag gab es dann endlich Pellkartoffeln mit Kräuterquark. Beim abräumen scherzte mein Pfleger: "Mortadella ist eigentlich Veggie, du weisst das nur nicht. Du verpasst was." Der Befund kam quasi mit dem Essen und es sollte wohl doch eine Nierenbeckenentzündung gewesen sein, die vorher Symptome hätte zeigen sollen, aber bei KPUlern kann das vielleicht auch mal so passieren. Beste Diagnose ever Leute! Vielleicht??? Aber ich habe gelernt Dinge, die meinen Gesundheitszustand angehen, anzunehmen und sie so zu nehmen wie sie sind.


Natürlich geht niemand gerne ins Krankenhaus, schon gar nicht für mehrere Tage. Das Essen ist für alle nicht toll, aber von beeindruckender Fröhlichkeit und modernster Technik zu totaler Enttäuschung mit echtem Hunger, Übelkeit durch viele Medikamente auf einen nüchternen Magen war eine Erfahrung, die #kittyschaosworld gleich kommt und zu mir passt. Mortadella ist eben Veggie und die Welt manchmal gaga.


Eure Kitty





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